Schönbach und Graslitz: Eine böhmisch-deutsche Grenzgeschichte des Geigenbaus
In dieser neuen Konstellation des westböhmisch-vogtländischen Geigenbaus entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine arbeitsteilige und höchst effiziente Produktion, die die musikalische Breitenkultur Europas und der U.S.A. mit ihren günstigen, in großen Zahlen hergestellten Instrumenten prägen sollte. Kleine Werkstätten in der ganzen binationalen Region lieferten Instrumente, vor allem aber Bauteile an die großen Handelshäuser, die sie mit bestem Profit in alle Welt verkauften. Allein in Schönbach wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert fast 150.000 Geigen pro Jahr hergestellt – und 200.000 Geigenböden! Das Verhältnis dieser beispielhaften Zahlen lässt die ökonomische Struktur der „Verlegerwirtschaft“ deutlich erkennen.
Die Kehrseite ihres Erfolgs war ebenso die bittere Not der vollkommen abhängigen Familien wie der zweifelhafte Ruf minderwertiger Industrieware, der böhmisch-sächsischen Streichinstrumenten dieser Zeit bis heute anhaftet. Insbesondere in Schönbach und Graslitz gab es nur noch wenige Geigenbauer, die in der Lage waren, ein Instrument in allen Teilen selbst zu fertigen – und sich den zeitlichen Aufwand leisten konnten. Gleichwohl erreichen ihre – oft anonym verkauften Werke – durchaus sehr gute klangliche und ästhetische Eigenschaften, und verdienen die pauschale Geringschätzung nicht, die alten böhmisch-sächsischen Instrumenten oft entgegengebracht wird.
Eine leichte Emanzipation von der Übermacht Markneukirchens erreichten die Schönbacher Hersteller um die Wende zum 20. Jahrhundert, indem sie zwei Produktivgenossenschaften gründeten und die Etablierung eigener Verleger förderten. So konnten nach dem Ersten Weltkrieg ca. 20 Prozent der Produktion in eigener Regie exportiert werden. Innerhalb der wirtschaftlichen Verflechtung des Musikwinkels hatte sich Schönbach zum Handelsschwerpunkt für Tonhölzer entwickelt, die im Umfang von ca. 700 Eisenbahnwaggon-Ladungen pro Jahr umgeschlagen wurden.
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