Die Geigenbauer von Bubenreuth

Bubenreuth – ein neues Schönbach

Der Geigenbauer auf der Weltkugel: Nachdenklich wirkt Elias Placht, auf den beiden Denkmalen, die ihm gesetzt worden sind. So konzentriert er die Geige betrachtet, die er in seinen Händen hält, scheint er doch im Geiste an einem ganz anderen Ort zu sein: Wahlweise im tschechischen Luby (Schönbach), wo man ihn 1927 als ersten dokumentierten Geigenbauer des Ortes würdigte – oder im fränkischen Bubenreuth, wo 1969 eine Nachbildung des Schönbacher Denkmals enthüllt wurde.

Übersicht:

 

Zwischen den beiden Denkmalen, knapp 200 km voneinander entfernt, verläuft die deutsch-tschechische Grenze, der ehemalige Eiserne Vorhang; und etwa in der zeitlichen Mitte zwischen 1927 und 1969 liegt das Ereignis, das sie verbindet: Die Vertreibung der deutschen Instrumentenbauer aus Böhmen nach dem Zweiten Weltkrieg, in deren Folge sich ein Dorf bei Erlangen über Nacht zu einem global agierenden Industriestandort verwandelte.

Vom Bauerndorf zum Industriestandort

Keine 700 Einwohner zählte Bubenreuth vor der Ansiedlung der Schönbacher, und hatte außer der Landwirtschaft praktisch keine eigene Wirtschaftsstruktur. Die Bubenreuther waren Bauern oder fuhren zur Arbeit ins nahe gelegene Erlangen. Nun entstanden innerhalb weniger Jahre 400 neue Wohnungen für rund 1.600 neue Bürger, die die ländliche Region schlagartig industrialisierten.

Im Hintergrund dieses Umbruchs stand das Interesse der Schönbacher Instrumentenbauer, ihr über Generationen erprobtes, gut eingespieltes Kooperationsmodell beizubehalten, was eine gemeinsame Ansiedlung der Vertriebenen erforderlich machte. Seit dem späten 18. Jahrhundert hatte sich im böhmischen Teil des Vogtlandes eine arbeitsteilige, „haus-industrielle“ Produktion etabliert, in der zahllose kleine bis mittlere Werkstätten gemeinsam Zupf- und Streichinstrumente herstellten. Für den Absatz ihrer Arbeiten waren sie weitgehend von den mächtigen Händlern im sächsischen Markneukirchen abhängig, die auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung hunderttausende Instrumente pro Jahr aus Schönbach in alle Welt lieferten, nicht zuletzt in die U.S.A.

Dieses Modell sollte nun im strukturschwachen, durch die Kriegsfolgen belasteten Bayern zu neuem Leben erweckt werden, und so beauftragte die bayerische Staatsregierung im Oktober 1945 den Gitarrenbauer Fred Wilfer, alle Voraussetzungen für eine Ansiedlung der Schönbacher im Raum Erlangen zu schaffen – nachdem die traditionsreiche Geigenbaustadt Mittenwald als Standort wegen des entschiedenen Widerstands der ortsansässigen Geigenbaumeister ausgeschieden war.

Erfolgreiche Neu- und Wiedergründungen in Bubenreuth

So stellt die Gründung von Wilfers „Fränkischer Musikinstrumentenerzeugung Fred Wilfer KG“, der weltbekannten FRAMUS, am 1. Januar 1946 mehr dar als die Eröffnung eines neuen Betriebes. Die FRAMUS schuf die Grundlage für die Entstehung der gesamten Bubenreuther Musikindustrie und zog in der Folge auch Unternehmer wie Albert Roth an, der 1953 seine enteignete Markneukirchener Firma Ernst Heinrich Roth in Bubenreuth neu gründete. Im Umfeld dieser Unternehmen entstand ein Netzwerk kleinerer, selbständiger Werkstätten, die den handwerklichen Geigenbau auf hohem Niveau pflegten.

Dass der Gitarrenbau rasch zum anfangs dominierenden Geigenbau aufschloss, ist dabei weniger dem wirtschaftlichen Gewicht der FRAMUS zuzuschreiben, sondern eine Folge der Entwicklung des weltweiten Musikmarktes in den 1950er und insbesondere 1960er Jahren. Die Neu-Bubenreuther verstanden es, diese Dynamik zu nutzen und an die alten Schönbacher Erfolge anzuknüpfen; sie etablierten in ihrer neuen Heimat nichts geringeres als das führende, international bestens vernetzte Zentrum des westdeutschen Instrumentenbaus. Dass sie dabei nun frei agieren konnten und nicht mehr von einem dominierenden Handelszentrum wie Markneukirchen abhängig waren, gehört zu den Volten der Geschichte.

Krise des Instrumentenbaus in Bubenreuth

Doch der Aufschwung währte nicht allzu lange. Schon in den 1970er Jahren führte der Einfluss der wachsenden Konkurrenz auf dem Weltmarkt zum Konkurs der FRAMUS und zu einer schrittweisen Dezimierung der mittelfränkischen Musikinstumentenindustrie. Lange von den westlich orientierten Bubenreuther Gitarrenbauern unterschätzt, liefen ihnen zunächst japanische Akteure den Rang ab; später etablierte sich China als neue Welt-Geigenbauwerkstatt – und das in ganz ähnlicher Weise, wie es im 19. Jahrhundert im böhmisch-sächsischen Vogtland geschehen war, aus dem die Bubenreuther stammten.

Wenn das regionale Branchenverzeichnis heute auch immer noch gut mit Einträgen im Bereich Instrumentenbau ausgestattet ist – für eine Stadt von weniger als 5.000 Einwohnern – und bekannte Namen der sächsisch-böhmischen Tradition wie z. B. Raabs, Roth, Sandner, Schuster und Seifert enthält, ist doch von dem früheren Volumen des Standorts wenig übrig geblieben. Standen im Bubenreuther Musikinstrumentenbau zu seiner besten Zeit rund 1.800 Menschen in Lohn und Brot, sind es heute noch etwa 200. Die gleichwohl niedrigen Arbeitslosenzahlen zeigen jedoch, dass es der Region offenbar gelungen ist, sich wie noch einmal grundlegend neu zu erfinden.