Cremona, die lombardische Urgeschichte des italienischen Geigenbaus

Der Geigenbau in Cremona – die frühe Vollendung des italienischen Geigenbaus in seiner klassischen Cremoneser Phase von Stradivari, Guarneri und Amati

Cremona ist die sprichwörtliche Geigenbaustadt – an kaum einem Ort wurden bedeutendere Kapitel der Geigenbaugeschichte geschrieben als in der Heimat der größten historischen Meister des altitalienischen Geigenbaus. Wie revolutionierten Antonio Stradivari, Giuseppe Guarneri del Gesù und Nicolò Amati ihre Kunst – und welchen Beitrag leistete der Geigenbau in Cremona zur Entwicklung der modernen Violine?

Unter den frühen Stätten des klassischen italienischen Geigenbaus, dessen erste Anfänge wohl nie ganz erforscht werden können, kommt dem Geigenbau in Cremona eine besondere Stellung zu. Dafür ist weniger das hohe Alter der handwerklichen Tradition in Cremona verantwortlich, die andernorts auf eine ähnlich lange – wenn nicht längere – Geschichte zurückblicken kann. Den Rang von Cremona für den Geigenbau in Italien und der ganzen Welt begründen vielmehr die frühe Vollendung und die beständige normative Kraft, die der italienische Geigenbau in der lombardischen Stadt Cremona gefunden hat. Der Cremona Domplatz repräsentiert den Geigenbau in Cremona

Die lokale Handwerksgeschichte von Cremona ist Teil der Urgeschichte des Geigenbaus, dessen Lehre stets mit dem nachahmenden Studium der klassischen Cremoneser Geigen und frühen Meisterwerke beginnt: Die handwerklichen und künstlerischen Standards, die die Meistergeigen der berühmten Cremona Geigenbauer Amati, Stradivari und Guarneri del Gesù in den rund 150 Jahren ihres Wirkens formulierten, gelten bis heute ungebrochen.

Die goldene Epoche in Cremona: Geigenbau zur Zeit Amatis und Stradivaris

Am Anfang jener Reifezeit steht der große Nicolò Amati (1596-1684) aus Cremona, dessen Geigenmodell für seine Größe und die charakteristische, hohe Wölbung der Decke bekannt ist. Mit ihm erreichten Amati Geigen einen großen, doch lieblichen Klang, durch den sich die Geigen aus Cremona erstmals gegenüber der da Salo- und Maggini-Schule von Bresica auszeichneten. Sein größter Schüler, Antonio Stradivari (1648/49-1737) folgte ein halbes Berufsleben lang den Spuren seines Meisters Nicolo Amati, bevor er seine niedriger gewölbte, kräftiger klingende Geige entwickelte. Die Stradivari Geige setzte sich als Muster unzähliger Nachbauten um so mehr durch, je größer die Ansprüche des solistischen Spiels im Laufe der Musikgeschichte wurden. Doch auch angesichts der späteren Dominanz des Stradivari Modells ist die Amati Geige keineswegs nur ein überholter Vorläufer; sie blieb über die Jahrhunderte ein gültiger, oft nachgeahmter Entwurf und erweiterte die künstlerischen Aktionsräume aller nachfolgenden Geigenbauer Generationen.

Der Geigenbauer Guarneri: Eine Ausnahmeerscheinung im klassischen Cremona

Die interessanteste Gestalt unter den großen Meistern des Geigenbaus in Cremona dürfte aber der Geigenbauer Joseph Guarnerius del Gesù (1698-1744) sein, aus dessen kurzem, legendenumranktem Leben nur das schmale Œuvre von weniger als 200 Violinen erhalten ist. Guarneri Geigen fallen gegenüber der konstanten Perfektion der Stradivari-Werkstatt durch manche handwerkliche Unzulänglichkeit auf; es scheint, dass del Gesù radikal und kompromisslos das Ideal eines großen Klanges verfolgte, für den er ästhetische „Nebensächlichkeiten“ gern vernachlässigte. Seine Werke indes geben ihm recht und wirken auf überaus interessanten Wegen bis in die Gegenwart, wie zum Beispiel die bevorzugte Guarneri Geige Nicolo Paganinis, die der legendäre Solist respektvoll „Il Cannone“ nannte. Sie wurde von dem großen Jean Baptiste Vuillaume mehrfach nachgebaut und wird heute – in Gestalt einer dieser Kopien – von der jungen Virtuosin Hilary Hahn gespielt.

  

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