Marcus Klimke, Trélazé
Zu Leben und Werk eines vielfach ausgezeichneten Geigenbauers der jungen Generation. Ein Porträt von Corilon violins
Dass ein Künstler im Schaffensprozess für sein Werk Gefühle entwickelt, die sonst eher zu Liebesbeziehungen gehören, mag in der mythischen Geschichte von Pygmalion und Galatea eine etwas überspitzte Darstellung gefunden haben. Ein Körnchen Wahrheit ist aber dennoch darin enthalten. Denn wer mit Hingabe, Sorgfalt und Geduld einen Gegenstand erschafft – sei es ein Kunstobjekt oder etwas, womit Kunst hervorgebracht wird –, wird ihn, vielleicht mehr als jeder andere Betrachter, als wertvoll erachten.
So empfindet auch der zeitgenössische Geigenbauer Marcus Klimke, geboren am 20. März 1968 in Weimar, heute Inhaber einer eigenen Werkstatt in Trélazé, Frankreich. Seine Instrumente sind für ihn wie Kinder, deren Entwicklung er miterleben möchte. Hat er eines verkauft, behält er es im Auge; befindet er sich einmal an einem neuen Bestimmungsort eines seiner „Sprösslinge“, schaut er es sich auch gern wieder an und stellt es eventuell ein – nicht zuletzt um seines guten Namens willen, denn eine optimal klingende Geige spricht am besten für ihren Erbauer.
Seine Leidenschaft für die Arbeit mit Holz entdeckte Marcus Klimke bereits in seiner Kindheit in der ehemaligen DDR, wo er gern schnitzte und unterschiedliche Gegenstände von Hand herstellte, die man sonst in der DDR nicht ohne Weiteres bekommen konnte. Nachdem sich seine Eltern, beide Grafikdesigner, erfolgreich um einen Ausreiseantrag beworben hatten, entschied er sich auf Anregung seines Vaters, Geigenbauer zu werden. Zunächst musste er allerdings eine mehrjährige Wartezeit überbrücken, bis er an der Geigenbauschule in Mittenwald aufgenommen werden konnte: So besuchte er zunächst eine Fachschule für Holzverarbeitung in Schwäbisch Hall und machte anschließend eine Lehre als Tischler, die er 1988 abschloss. Die Ausbildung zum Geigenbauer beendete Marcus Klimke erst 1992.
Nach dem Zivildienst in München verbrachte Klimke einige Monate in den USA, und lernte dabei nicht nur ein fremdes Land kennen: Ein Arbeitsaufenthalt in der Chicagoer Werkstatt von Michael Becker – übrigens ebenfalls ein Absolvent der Mittenwalder Geigenbauschule – brachte Marcus Klimke neue Impulse für sein Handwerk. Und für das Abschlussinstrument seiner Mittenwalder Schulzeit erhielt Marcus Klimke 1994 beim Internationalen Geigenbauwettbewerb der „Violin Society of America“ (VSA) eine Ehrenurkunde in der Kategorie Klang.
1995 ging Marcus Klimke nach Europa zurück, um in der Werkstatt von Patrick Robin und Andrea Robin-Frandsen in Angers, Frankreich, mitzuarbeiten. Hier, bei diesen beiden hervorragenden und mehrfach preisgekrönten europäischen Instrumentenbauern, fand Klimke wertvolle neue Anregungen und Inspiration. Aber auch er selbst erlangte mit den Instrumenten, die er dort fertigte, viele weitere Preise: die Goldmedaille für Viola beim Internationalen
Geigenbauwettbewerb in Cremona im Oktober 2000 – einschließlich eines Sonderpreises für die beste Schnecke – und gleich im November 2000 wieder Gold für Viola beim Geigenbauwettbewerb der VSA (VSA Competition) in Cincinnati. Im April 2001 erhielt er die Bronzemedaille für Viola beim Geigenbauwettbewerb in Mittenwald; 2004 folgte eine Goldmedaille beim
Concours Etienne Vatelot in Paris für eine Bratsche.
Die Faszination für den Bau neuer Streichinstrumente sollte Marcus Klimke fortan nicht mehr loslassen. Der Charakter eines Instruments, dessen Holz erst lernen muss zu schwingen, lässt sich formen und beeinflussen – was wiederum Gestaltungsmöglichkeiten bietet, die einen schöpferischen Geist zu beständiger Produktivität drängen müssen. Marcus Klimkes besondere Liebe galt dabei – und gilt bis heute – der Viola, und das nicht allein wegen ihres üppigen, eher dunklen Klanges: „Noch mehr als Geigen und Celli ist eine Bratsche für jeden Musiker eine Maßarbeit“, beschreibt er diese besondere Faszination. „Sie ist individuell für ihn gebaut, da es ja da bekanntlich darum geht, eine maximale Grösse zu erreichen, ohne dass der Musiker diese fühlt, und ohne dass sie ihm auf Dauer gesundheitlich schadet.“ Und vor allem die von ihm hergestellten Violen sollten es auch sein, die ihm in den folgenden Jahren immer wieder begehrte Auszeichnungen einbringen würden.
Im Herbst 2001 eröffnete Marcus Klimke seine eigene Werkstatt in Angers und ab 2010 in Trélazé, einer Gemeinde im Arrondissement Angers, Pays de la Loire. Mit verschiedensten Auszeichnungen setzte er auch hier seine Produktion fort: Gold für Viola beim Concours Etienne Vatelot in Paris 2011 und Silber für Geige, 2014 wieder Gold in Mittenwald, sogar gleich zweimal: für Violine und Viola. Die Geschwindigkeit, mit der Marcus Klimke in der Elite seiner Zunft angekommen ist, ist mehr als beachtlich.
Sein besonders erfolgreiches Violen-Modell, das er in vier verschiedenen Größen baut, ist an dasjenige des Amati-Schülers Giacomo Gennaro – auch bekannt als Jacobus Januarius – angelehnt. Klanglich geht es Klimke eher um Präzision und Klangqualität als um einen übermäßig großen Ton. Am Ende sind aber stets die Ansprüche der Musiker ausschlaggebend, die ihr Instrument bei ihm in Auftrag gegeben haben. Wer Marcus Klimke kennenlernt, begegnet einem Meister, der bei allem Erfolg nicht verlernt hat, sich auf seine geigenbauerische und musikalische Sache zu fokussieren. Eine Eigenschaft, die ihn menschlich auszeichnet – und seiner Arbeit zugute kommt.
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