Klingenthal: Die Anfänge des Geigenbaus im sächsischen Vogtland
In Klingenthal, einem kleinen Ort nahe der sächsisch-böhmischen Grenze, endete Anfang der 1650er Jahre die Wanderschaft der Hamburger Familie Hobe. Zwei Generationen zuvor hatte sie der Bergbau aus der Hansestadt nach Graslitz (Kraslice) in Nordböhmen geführt, nun wich sie dem Druck der Rekatholisierung, der sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in Böhmen aufbaute. Im nahegelegenen, später Quittenbach genannten Unterklingenthal fand die Familie eine neue Heimat, und wie in Graslitz wird Vater Christoph Hobe vermutlich als Schichtmeister im Bergbau gearbeitet haben.
Die Hobes und viele weitere Familien fanden als „böhmische Exulanten“ in Sachsen Aufnahme und religiöse Toleranz, wobei der hohe Preis nicht verschwiegen werden soll, den die Migranten in Form von Abgaben und Dienstpflichten zu bezahlen hatten. Für das abgelegene Vogtland waren die neuen Siedler ein Segen, denn mit ihnen entstanden nicht nur Orte wie Quittenbach, sie brachten auch den Geigenbau in die Region, der diese für Jahrhunderte ernähren und prägen sollte.
Das erste sichere Datum in der Geschichte des Klingenthaler Geigenbaus ist der 8. Oktober 1669, an dem Johann Hertwig Graf von Nostiz die Gründung der Graslitzer Geigenmacher-Innung bestätigt. Unter den Gründungsmitgliedern befindet sich „Caspar Hob“ aus Klingenthal, Christoph Hobes Sohn, der als „Caspar Hopf“ am 6. März 1677 auch zu den Gründern der Innung von Markneukirchen zählt. Wahrscheinlich ist er der erste Geigenbauer von Klingenthal, und so wenig bekannt ist, wo er seine Kunst erlernt hat, so sicher ist doch sein stilprägendes Wirken, das die Hopf-Schule zum Inbegriff der Klingenthaler Geige werden ließ.
Niedergang und Ende des Klingenthaler Geigenbaus
Von seinen Anfängen an zeichnete sich der Klingenthaler Geigenbau eher durch solide musikalische Qualität als durch eine besonders fortschrittliche und ausgefeilte Ästhetik aus. Die unter hohen Abgaben leidenden Geigenbauer waren gezwungen, ihre Instrumente zügig und in möglichst hohen Stückzahlen zu verkaufen.
Zogen die Geigenbauer zunächst als Händler in eigener Sache durch die Lande, professionalisierte sich der Musikinstrumentenhandel im Laufe des 18. Jahrhunderts. Viele Geigenbauer gerieten, obwohl weiterhin selbständig, in Abhängigkeit von den Händlern, die die stetig wachsende internationale Nachfrage nach günstigen Instrumenten zu befriedigen suchten. Für 1801 verzeichnet Friedrich Gottlob Leonhardis „Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich-Sächsischen Lande“ eine beachtliche Jahresproduktion von „117 Bäße[n] und 4282 Violinen, am Werth 2416 Rthlr. 12 Gr. ohne die Harfen, Zittern, Lauten etc.“ Je mehr die arbeitsteilige, fabrikmäßige Produktion an Bedeutung gewann, desto mehr erodierte der vergleichsweise privilegierte soziale Status der Geigenbauer.
Wechsel zur industriellen Musikinstrumentenproduktion
Seit den 1830er Jahren schließlich veränderte sich die Wirtschaftsstruktur des Vogtlandes grundlegend. Die einfacheren Tätigkeiten der Kamm- und Harmonikaproduktion, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch des Akkordeonbaus schufen geringqualifizierte Arbeitsplätze in großer Zahl. Auch viele Geigenbauer sicherten sich in den neuen Betrieben ihren Lebensunterhalt, und die anspruchsvolle Ausbildung von Gesellen konnte immer seltener stattfinden. Der amerikanische Sezessionskrieg verschärfte die Krise des Instrumentenbaus im Vogtland zusätzlich, der in den U.S.A. einen der wichtigsten Absatzmärkte hatte. 1862 gab es noch 166 einzeln geführte Geigenbauwerkstätten, 1887 schließlich löste sich die Klingenthaler Geigenbauer-Innung auf. 1913 neu gegründet, bestand die zweite Innung zwar bis ins Jahr 1975, ihre niedrigen Mitgliederzahlen zeigen aber, dass Klingenthal im Geigenbau nie wieder zu früherer Größe zurückfand.
Heute knüpft die Berufsfachschule „Vogtländischer Musikinstrumentenbau“ an die Klingenthaler Geigenbautradition an. Ihre Geschichte dokumentiert das Musikinstrumenten-Museum Markneukirchen.
Klingenthaler Geigenbauer: Wichtige Familien neben der legendären Hopf-Dynastie
Die Tradition der großen Familie Hopf ist zum Inbegriff Klingenthaler Geigenbaukunst geworden, die aber von Anfang an durch weitere bedeutende Geigenbauer-Dynastien getragen und gepflegt wurde. Drei Familien werden auf dieser Seite kurz vorgestellt, weitere Anhaltspunkte bietet unsere (sicher nicht vollständige) Übersicht Klingenthaler Geigenbauer als PDF-Datei (ca. 140 KB).
Bedeutende Geigenbauer aus Klingenthal:
Dörffel
Zu den böhmischen Exulanten, die den Klingenthaler Geigenbau begründet haben, gehört auch die Familie Dörffel. Während Caspar Hopf vermutlich der erste Geigenbaumeister seiner Familie war, übten mindestens Johann Georg (I.) und Michael Dörffel bereits in Graslitz (Kraslice) ihre Kunst aus. Johann Andreas Dörffel, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirkte, wird zu den besten Geigenbauern Klingenthals gerechnet. Seine Meistergeigen sind in zahlreiche Sammlungen eingegangen.
Glass
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Geigenbauer-Familie Glass in Klingenthal nachweisbar. Ihre Instrumente erwarben sich einen sehr guten Ruf, der zeitweise sogar an die legendären Hopf-Geigen heranreichte. Viele Mitglieder der Familie haben außerhalb Klingenthals Karriere gemacht und wurden damit – zum Teil internationale – Botschafter vogtländischer Geigenbaukunst. Ende des 18. Jahrhunderts begründete Christian Friedrich Glass die Bogenmacherei in Klingenthal.
Meisel
Die große Instrumentenbauer-Familie Meisel steht in mancherlei Hinsicht für die Öffnung des Klingenthaler Geigenbaus. Seit dem späten 18. Jahrhundert lösten sich wichtige Mitglieder der Familie von der spezifisch vogtländischen Hopf-Tradition und ahmten italienische Vorbilder nach. Zu ihnen gehört auch Amand Meisel (1828-1893), der ein international ausgezeichneter Meister wurde und sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Schlesien niederließ. Johann Christian Friedrich Meisel (gest. 1803) begründete die Klingenthaler Saitenmacherei.
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